Die sprechenden Grabsteine von Amrum – Zeugen der maritimen Vergangenheit auf dem Friedhof der St. Clemens Kirche Nebel
Grabsteine auf Amrum auf dem Friedhof von St. Clemens in Nebel (Foto: Kai Quedens)Die sprechenden Grabsteine von Amrum sollten ein Ziel sein für alle, die sich mit der maritimen Vergangenheit der Insel Amrum befassen möchten. Sie finden die interessanten Zeitzeugen auf dem alten Friedhof an der St. Clemens Kirche in Nebel (Prästerstigh 3). 170 historische Grabsteine erzählen – kunstvoll gestaltet – vom Leben bedeutender Amrumer Walfänger, Kapitäne und ihrer Familien.
Doch bevor man in die Welt der Amrumer Seefahrer eintaucht, empfiehlt sich ein Besuch auf dem „Friedhof der Namenlosen". Hier wurden in der Zeit von 1905 bis 1966 diejenigen begraben, die vom Meer angespült wurden. Dieser besondere Ort der Stille ist heute reine Gedenkstätte und erinnert an die vielen Menschen ohne Geschichten, die in der Nordsee den sogenannten nassen Tod fanden und nicht identifiziert werden konnten. Allenfalls die Kleidung lieferte noch Hinweise auf Herkunft, Stand und Beruf. Heute sind Strandleichen aufgrund der Genanalyse identifizierbar. Der „Friedhof der Namenlosen" liegt im Wasterstigh gegenüber der Windmühle am südlichen Ortseingang von Nebel.
Kapitäne und Mannschaften von den Inseln und Halligen Nordfrieslands waren begehrtes Personal in den europäischen Handels- und Walfangflotten. Sie fuhren bis in die Arktis und ins ferne Asien. Sie wurden Ostindienfahrer oder Kommandeure von Walfangflotten. Viele Seeleute erfroren, ertranken oder starben an Infektionskrankheiten. Aber auch viele kehrten wohlhabend zurück, und wer genug Geld hatte, leistete sich am Ende seines Lebens einen besonderen Grabstein und mit ihm ein wenig Unsterblichkeit. Denn bis in die heutige Zeit weiss dieser von den spannenden Lebensgeschichten des Verstorbenen und seiner Familie zu berichten.
Das Material für die bis zu zwei Meter hohen und bis zu einer Tonne schweren Grabsteine kam aus dem Weserbergland. Die meisten wurden zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert angefertigt und verfügen über zum Teil sehr detailreiche Darstellungen. Von 2009 an wurden die Steine, denen in Jahrhunderten Wind und Wetter zugesetzt hatten, umfassend unter der Leitung von Christa Langenhan restauriert und neu aufgestellt. Betritt man den Friedhof, findet man sie nach Familien sortiert auf der linken Seite. Manche sind mit QR-Code versehen, der es ermöglicht, die Inschrift über das Smartphone zu lesen.
Auch der Grabstein von Hark Olufs steht hier – bedeutende Stationen seiner spannenden Lebensgeschichte sind in Stein gemeißelt. Er gehörte zu denen, die Glück hatten im Leben.
Geboren wurde Hark Olufs im Sommer 1708 in Süddorf, sein Geburtshaus steht noch heute. 1721 wurde er Matrose auf einem der Schiffe seines Vaters, es trug den Namen „Hoffnung" – und diese gab Olufs wohl nie auf. Zwischen Hamburg nach Nantes wurde er drei Jahre später im Ärmelkanal von Seeräubern gefangen genommen und mitsamt Schiff und Mannschaft nach Algier verschleppt. Die Familie konnte die von den Sklavenhändlern geforderte Summe zum Freikauf nicht aufbringen, auch die dänische Sklavenkasse lehnte Unterstützung ab, da die „Hoffnung" unter Hamburger und nicht unter Dänischer Flagge fuhr, so musste ein Kredit aufgenommen werden. Der Freikauf blieb erfolglos, da versehentlich an Stelle von Hark Olufs ein Bremer Seemann mit ähnlichem Name freigelassen wurde.
Hark Olufs wurde auf dem Markt von Algier verkauft und landete beim Bey von Constantine, dem Statthalter dieser damaligen osmanischen Provinz. Dort bewährte sich der junge Mann und stieg über den Posten eines Schatzmeisters gar zum Oberbefehlshaber einer Militäreinheit auf. Olufs fügte sich und konvertierte sogar zum Islam, was ihm diese Karriere sicher erst ermöglicht hat. 1735 wurde Hark Olufs von seinem Bey, wohl auch als Dank für seine militärischen Verdienste, freigelassen und kehrte ein Jahr später nach Amrum zurück. Dort begegnete ihm, dem Wohlhabenden und Muslim, nicht nur Freude, sondern auch Misstrauen. Erst nach Rekonvertierung zum Christentum, Konfirmation und Heirat kehrte er endgültig in die Gemeinschaft der Insulaner zurück. Olufs starb im Alter von nur 46 Jahren dort, wo er geboren wurde – auf Amrum.
Ganz zu Ende ist diese Geschichte noch nicht: Hat Olufs, arm war er offenbar nicht und in einer osmanischen Generalsuniform tauchte er auf, mehr als nur Erzählungen mitgebracht? Einer Sage nach, und die hält sich noch heute, soll sich sein Geist jede Nacht zwischen dem Friedhof in Nebel und seinem Haus in Süddorf herumtreiben. Ein mutiger Mann schließlich fragte den Geist, warum er umherirre. Er habe seinen Hinterbliebenen nicht verraten, wo er seine Schätze versteckt habe und bat den Mann, seinen Kindern mitzuteilen, dass die Schätze unter der Schwelle der Hauseingangstür versteckt seien – und tatsächlich sollen dort Münzen gefunden worden sein. Und der rastlose Olufs hatte endlich seine Ruhe. Wieder wispert der Wind und die Silhouetten der Bäume spuken im Zwielicht. Olufs verschwand, tauchte wieder auf und ist endgültig gegangen. Seine Geschichte aber, die ist an diesen trüben Tagen seltsam lebendig. Auf einer Insel voller Mystik und Magie. (Quelle: PM Nordsee Tourismus GmbH - www.nordseetourismus.de)
Die historischen Grabstein von Amrum im Internet: www.erzaehlende-steine.de
Und noch ein Tipp!
Informationen zu Hark Olufs Leben bekommt man auch in der Dauerausstellung „Hark Olufs – Als Sklave verkauft, als General zurückgekehrt" im Naturzentrum in Norddorf auf Amrum.
Naturzentrum Amrum
Strunwai 31
25946 Norddorf / Amrum
Fon: (04682) 1635
Email: info(at)naturzentrum-amrum.de
Internet: www.naturzentrum-amrum.de
Täglich außer Do, 10.00 – 17.00 Uhr (April bis Oktober)
Mi, Fr, Sa und So, 12.00 – 16.00 Uhr (November bis März)
Der Eintritt ist frei. Über eine Spende freut sich das Naturzentrum.
Was es sonst noch im Naturzentrum zu entdecken gibt:
- Ausstellung zum Thema „sandige Lebensräume in Amrums Natur"
- Aquarien mit Einblicken in die Unterwasserwelt an Amrums Küste
- Dauerausstellung „Der Kojenmann – Mensch und Natur im Wattenmmer"
- Führungen durch die Amrumer Natur
Führungen auf Amrum
Auf Amrum Schätze aus dem Watt erkunden
Steinkreise, Baumsärge, Flintsteine oder Bernsteinperlen. Wer auf der nordfriesischen Insel Amrum unterwegs ist, findet im Sand oder Watt so manches Stück Geschichte. Die neuste Entdeckung aus dem Jahr 2021 ist ein Grabmal, das viel älter ist als alle vorherigen Funde und der Jungsteinzeit zugeordnet wird. Amrumer Urgestein und Vertrauensmann des Archäologischen Landesamtes für die Insel Amrum - Jens Quedens - will genau diese Spuren bewahren und Amrumer Gästen die Geschichten dazu erzählen. Der Heimat- und Kulturverein "Öömrang Ferian" bietet zu diesem Thema Führungen unter dem Titel „Amrum - eine Insel der Toten“ und „Zeitsprünge“ an. Mehr Infos gibt es unter www.naturzentrum-amrum.de.
Spannende Geschichten aus dem Watt kann auch Amrums Nationalparkwattführer Dark Blome erzählen. Im Watt zwischen Amrum und Föhr liegen die Holzspanten der „City of Bedford“, die 1825 hier gestrandet ist. Sie war unterwegs von England nach Dänemark, driftete aber in die Untiefen vor den Inseln ab. Dark Blome führt auf seinen Wanderungen dorthin – auch im Winter, dann jedoch mit Wathose. Die See vor Amrum war tückisch für die Seefahrer. Über 700 Schiffe strandeten zwischen 1600 und 1900 in diesem Revier. Der Meeresboden bewegt sich unaufhörlich, schiebt Sandbänke hoch und lässt sie wieder verschwinden. Weitere Informationen unter: www.der-inselläufer.de
Buchtipps für die Reiseplanung:
- Reiseführer Amrum aus dem Reise Know-How Verlag